18. Oktober 2014 Bericht Seite 7 im Unter-Emmentaler. Von Liselotte Jost-Zürcher
Der Buntspecht
Jahraus, jahrein lässt der Buntspecht in Wäldern, aber auch in Parkanlagen und baumreichen Gärten aufhorchen, wenn er an Bäumen seine Nahrung «hervorklopft» oder in seiner «Schmiede» Nüsse oder auch mal harte Käfer knackt. Weil er sich sehr vielseitig ernährt, ist er, anders als andere Spechtarten, häufig zu sehen. Gerne kommt er im Winter ans Futterbrett.
Der Buntspecht ist eine Vogelart aus der Familie der Spechte (Picidae). Die Art ist häufig und der Bestand nimmt zumindest in Europa zu. Der Buntspecht wird von der Weltnaturschutzunion (IUCN) als ungefährdet erachtet. Mit einer Körperlänge von etwa 23 Zentimeter ist er verhältnismässig klein, kleiner auch als etwa eine Amsel. Seine Flügelspannweite beträgt zwischen 34 und 39 Zentimeter. Zu Recht trägt er seinen Namen: Das Gefieder ist auf der Oberseite schwarz gefärbt mit zwei grossen weissen Flügelflecken; Kehle und Brust sind gelblich-grau. Die Unterschwanzdecken sind lebhaft rot gefärbt. Nur das Männchen hat einen roten Flecken im Genick. Jungtiere haben einen roten Scheitel. Das markante, leuchtende Rot dürfte dem Buntspecht (Dendrocopos major) zu seinem Namen verholfen haben. Buntspechte haben spitze, gebogene Krallen, mit welchen sie sich an der Borke festhalten. In den allermeisten Fällen klettert der Vogel aufwärts. «Geht» er aus irgend einem Grund abwärts, tut er dies nur im Rückwärtsgang. Sein Flug ist wellenförmig.
In den Bäumen zuhause
Die Vogelart ist tagaktiv, macht auf sich «aufmerksam» und lässt sich in unseren Wäldern und Baumlandschaften deshalb leicht beobachten. Das Klopfen des Buntspechts an den Bäumen ist gut hörbar – und nicht ohne, was den Energieaufwand betrifft. Die aufrechte und stabile Haltung am Baum wird durch starke Muskeln unterstützt, welche die stützenden Schwanzfedern kontrollieren. Um das Einatmen des entstehenden Holzmehls zu verhindern, sind die Nasenlöcher des Buntspechts mit feinen Federn überwachsen. Eine gelenkähnliche Verbindung zwischen dem Schnabelansatz und dem Schädel federt die Erschütterung ab, die beim Zimmern der Spechthöhle entsteht. Der Buntspecht ist die am wenigsten «spezialisierte» heimische Spechtart und deshalb auch die am häufigsten vorkommende. Er ist in Laub- und in Nadelwäldern zu finden, aber auch in Parkanlagen, auf Friedhöfen und in der Kulturlandschaft, sofern genügend Bäume vorhanden sind. In der hiesigen baumreichen Region ist er deshalb besonders häufig vertreten. Eichen- und Buchenmischwälder mit viel Alt- und Totholz sind für ihn der optimale Lebensraum.
Schmied und Akrobat
Reine Fichtenbestände weisen jedoch nur geringe Spechtvorkommen auf. Im Winter bleiben die Buntspechte, mindestens in unseren Breitengraden, in ihrem Lebensraum. Der Buntspecht ernährt sich während der meisten Zeit des Jahres hauptsächlich von Insekten und Larven, die er mit kräftigen Schnabelhieben unter der Borke hervorholt. Manchmal tritt er auch als Nesträuber auf und öffnet dazu die Bruthöhlen von Meisen oder Kleinspechten. Als weitere pflanzliche Nahrungsergänzung dient ihm vor allem im Frühjahr das Saftlecken an Bäumen. Mit dem Pflanzensaft werden zuweilen auch Insekten verspiesen. Während der Winterzeit ist er in der Lage, seine Ernährung umzustellen. In dieser Zeit, in der Insekten knapp sind, frisst er Nüsse, Beeren und Samen. Viele der fettreichen Samen, die ihm im Winter zur Ernährung dienen, muss er zuerst knacken. Gar nicht ungern lässt sich der Buntspecht hie und da am Futterbrett verwöhnen. Auch an Meisenknödeln ist er zu finden. Er ist ein ausgesprochener Akrobat und talentierter Schmied: Während Rabenvögel, wie etwa der Eichelhäher, Haselnüsse mit dem Fuss festhalten, klemmt der Buntspecht Nüsse oder Kiefernzapfen in Baumspalten ein. Zur Gewinnung der letzteren hackt er oft in einen Ast ein Loch, um den Zapfen darin festzuklemmen. Auf diese Weise «zimmert» er die sogenannten Spechtschmieden, die der Buntspecht auch nutzt, um hartschalige Käfer zu knacken. Hat er einen neuen, verwertbaren Zapfen gefunden, fliegt er seine «Schmitte» an und hält dort den neuen Zapfen im Brust-/ Rumpfbereich eingeklemmt, während er den alten Zapfen zunächst entfernen muss. Danach wird der neue Zapfen in den als «Amboss» dienenden Spalt geschoben und anschliessend schrittweise aufgehackt, um die Samen zu schlemmen. Die Spechtschmieden sind teilweise Zeugen von beachtlichen «Arbeitsnachweisen» – unter solchen wurden schon Tausende von ausgefressenen Zapfen gefunden.
Höhlenbauer und Höhlenbrüter
Dem Anlocken der Weibchen in der Balzzeit und der Revierabgrenzung dient das «Trommeln», eine sehr schnelle, bis zwei Sekunden dauernde Folge von 10 bis 15 Schnabelschlägen. Das Trommeln ist bereits anfangs Winter zu hören. Um sich bemerkbar zu machen, nutzen sie alle verfügbaren Resonanzkörper. Typisch sind hohle Baumstämme oder tote Äste. Buntspechte lassen ihre Wirbel jedoch auch an Regenrinnen und – wo noch vorhanden – Leitungsmasten erklingen. Während einzelne Trommelwirbel, die nur aus 10 bis 20 Einzelschlägen bestehen, das ganze Jahr über erklingen, sind die Trommelwirbel des Männchens während der Balzzeit ab Dezember länger und erklingen häufiger. Auch die Weibchen lassen Trommelwirbel erschallen, wenn sie sich im Revier eines Männchens befinden, und machen damit auf sich aufmerksam. Die Balz enthält auch Drohgesten wie das Aufreissen des Schnabels oder das Aufstellen der Scheitelfedern. Eine weitere Lautäusserung ist ein kurzes hartes «kick» oder «kix». Buntspechte führen Saison-Ehen. Sie sind wie alle Spechte Höhlenbrüter. Die Bruthöhlen zimmern die Brutpaare gemeinsam und bevorzugen dazu weiche Holzarten und morsche alte Bäume. Sie nehmen es dabei sehr genau, beginnen zuweilen mehrere Höhlungen auszuarbeiten, bevor sie ihre Bruthöhle vollenden. Das Weibchen legt vier bis sieben weis se Eier, die etwa 11–13 Tage lang abwechslungsweise vom Männchen und vom Weibchen bebrütet werden. Die Jungvögel werden zirka drei bis vier Wochen lang gefüttert, bis sie ausfliegen. In der zweiten Hälfte der Fütterungsphase sind die Nester wegen des ununterbrochenen lauten Gezeters der Jungvögel leicht zu entdecken.
Nachmieter in Spechtbäumen
Der Buntspecht benützt seine Höhle nur einmal und baut im folgenden Jahr eine andere. Doch: «Spechtbäume sollte man unbedingt stehen lassen», sagt Martin Leuenberger, Präsident des Natur- und Vogelschutzvereins Wasen (NVW) gegenüber dem «UnterEmmentaler». «Egal ob die Höhlen in Totholz oder in einem lebenden Baum gezimmert worden sind – sie bleiben nicht ohne ‹Nachmieter›». Die Spechthöhlen werden von verschiedensten Arten als Bruthöhle benützt, unter anderem von Meisen, Staren, Siebenschläfern, Fledermäusen und Hornissen. In Zusammenarbeit mit den Förstern suchen schweizweit lokale Naturschutzvereine die Wälder nach Höhlenbäumen (in erster Linie eben Bäume mit Buntspecht-Höhlen) ab und markieren diese. Die Markierungen tragen dazu bei, das unabsichtliche Fällen der wertvollen Waldriesen zu verhindern. So bleiben die ökologisch wertvollen Höhlen für ihre vielfältigen Nutzer erhalten.