07. Oktober 2010 Bericht im Unter-Emmentaler. Von Barbara Pfister
Oftmals fast unbemerkt spielt sich alljährlich im Herbst in der Luft ein stets gleiches Naturphänomen ab: Millionen Zuvögel ziehen nach Süden in ihr Überwinterungsgebiet. Am ersten Oktoberwochenende finden die von BirdLife International und dem Schweizerischen Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz organisierten Zugvogelbeobachtungstage (BirdWatch) statt. Da werden die Zugvögel auf ihrem langen Flugweg beobachtet, gezählt und notiert. In 34 Ländern errichten die nationalen BirdLife-Organisationen rund 1000 Beobachtungsstände, in der Schweiz sind es 56 Stationen. Einer dieser Beobachtungspunkte ist jeweils auf der Hinterarnialp und wird vom lokalen Natur- und Vogelschutzverein Wasen aufgestellt. Es hat sich schon längst herumgesprochen, dass dieser Anlass, an einem einmaligen Ort und mit kundigen Ornithologen, ein Erlebnis für die ganze Familie ist. Dies zeigte sich auch im enormen Publikumsaufmarsch von Leuten, speziell am Sonntag, die den langen Weg nicht scheuten, um dabei zu sein, wenn die Zugvögel über ihren Köpfen hinweg Richtung Süden fliegen.
Enormes Interesse
Die anwesenden Vogelkenner des Vereins hatten dementsprechend viel Auskunft zu geben, wo denn nun diese oder jene Vogelarten hinflögen, warum gerade hier auf dem Hinterarni dieser Beobachtungsstand stehe und wie viele und welche Vögel sie schon gesehen hätten. Das Interesse war dieses Jahr sehr gross. Einige Besucher waren auch gekommen, weil sie am Samstagabend in der Hauptausgabe der Tagesschau des Schweizer Fernsehens SF einen Beitrag gesehen hatten, der sie auf diesen Anlass aufmerksam machte. Auch dieses Jahr wieder, wie schon letztes Jahr, kam am Samstagvormittag ein Team des Schweizer Fernsehens SF auf die Hinterarnialp, um einen Beitrag über die Zugvogel-tage aufzunehmen. Auch für die Medien ist dieser Beobachtungsstand auf 1222 Metern über Meer immer wieder ein anziehender Ort, um von hier über den Vogelzug zu berichten.
Sehr viele und spezielle Zugvögel
Es herrschte an beiden Tagen ausgezeichnete Fernsicht. Das Wetter ist ausschlaggebend für die Zugvogelbeobachtung. Ist das Wetter so optimal wie dieses Jahr, können die Vögel über lange Distanzen mit Feldstechern und Fernrohren beobachtet werden. Und Vögel kamen dieses Jahr viele Grosse Schwärme von Ringeltauben, Staren, Feldlerchen, Formationen von Kormoranen, Gruppen von Buchfinken, Distelfinken, Mehl- und Rauchschwalben, viele Rotmilane, die über dem Hinterarni ihre Abschiedskreise zogen. Eine seltene Wiesenweihe sowie Sperber, Singdrossel und Fisch-adler konnten gesichtet werden. Nachmittags, als die Luft wärmer wurde, kamen viele Greifvögel. Diese nutzten die gute Thermik für ihren Flug. Ganz speziell und eine grosse Ausnahme war am Sonntag die Sicht eines einzelnen Mauerseglers, er wurde von Schwalben begleitet. Mauersegler ziehen schon im August südwärts, sind also im Oktober längst nicht mehr hier. Was diesen einzelnen Vogel zurückhielt, wird ein Geheimnis bleiben. Insgesamt wurden an diesen zwei Tagen noch drei Mauersegler über der Schweiz gesichtet, ob es sich überall um denselben Vogel gehandelt hat, bleibt ebenfalls fraglich. Auch starker Schmetterlingszug war festzustellen. Viele Admiral-Schmetterlinge flatterten und schwebten vorbei. Dieser sieben Zentimeter grosse und 0,3 Gramm leichte, kälteempfindliche Wanderfalter fliegt im Herbst ebenfalls Tausende Kilometer weit nach Südeuropa, um dort zu überwintern. Die drei häufigsten Vogelarten, die an diesem Wochenende über dem Hinterarni gesichtet wurden, waren Buchfink, Rauchschwalbe und Ringeltaube. Insgesamt wurden 5100 Zugvögel registriert. Doch auch noch nach Beendigung der offiziellen Zähldauer flogen gegen Abend grosse Schwärme Ringeltauben vorbei. Einige Zugvögel fliegen auch nachts. Schweizweit wurden 407 000 Zugvögel gezählt, europaweit waren es rund eine Million.
«Turmbewohnende Vogelarten»
Im leeren Gustistall der Hinterarnialp bauen die Vereinsmitglieder stets auch eine Ausstellung auf, dieses Jahr zum Thema «Turmbewohnende Vogelarten». Ausdrucksstark waren die gros-sen Farbposter mit Bildern der Kirche Wasen, der Kirche Sumiswald und dem Schloss Trachselwald, auf denen gezeigt wurde, wo welche und wieviele Vogelarten nisten, den Sommer verbringen und ihre Jungen aufziehen. Es sind dies in den Kirchen Wasen und Sumiswald der Alpensegler, im Schloss Trachselwald und in der Kirche Wasen der Mauersegler und im Schloss Trachselwald noch der Turmfalke und die Dohle. Mit Örgelimusik, Lebkuchen- und Blumenzwirbelen kam am Sonntagnachmittag Chilbistimmung auf. Die vielen Festbänke draussen vor der Scheune waren alle besetzt, und man konnte sich durch die Festwirtschaft des Vereins bestens verpflegen lassen. Und dies alles im Freien, ohne dass man die Zugvögel am blauen Herbsthimmel verpassen musste.