29. Juli 2014 Bericht Seite 3 im Unter-Emmentaler. Von Liselotte Jost-Zürcher
«Klapp» – unüberhörbares Markenzeichen
Der Grauschnäpper. Schnell, «gewirbig» und ortstreu ist der eher kleine Vogel. Ähnlich dem Haussperling wird er häufig kaum wahrgenommen. Doch in der Region ist er recht verbreitet; nicht selten nistet er in einem künstlich hergestellten Rauchschwalbennest.
«Äs isch ä spezielle, aber ganz heimelige Vogu», meint Martin Leuenberger, Präsident des Natur- und Vogelschutzvereins Wasen, auf Anfrage des «Unter-Emmentaler» zum unscheinba- ren Grauschnäpper. Grauschnäpper (Muscicapa striata) sind überaus aufmerksam, lieben als Halbhohlbrüter deshalb Nester, von welchen aus sie die Übersicht über ihr Umfeld haben. Ein Brett an einer Hauswand, geschützt unter dem vorstehenden Dach und unerreichbar für Katzen, kann bereits reichen, dass ein Grauschnäpper-Paar hier einzieht. Sehr beliebt sind künstlich hergestellte Rauchschwalbennester – und Balkonkistchen oder Geranienampeln. Nicht selten erhält Martin Leuenberger Anfragen von Leuten, bei welchen ein «scheues graues Vögelein» in Ampeln oder Kistchen zu brüten begonnen habe. Ihnen empfiehlt er dann jeweils, ein Brett zu befestigen oder ein Schwalbennest; dann werde der Grauschnäpper – um welchen es sich praktisch in jedem Fall handelt – das nächste Jahr dort brüten. Denn die Vogelart ist sehr ortstreu, und nicht selten übernimmt später eine nächste Generation das Nest der Eltern oder Grosseltern.
«Schnäppern»
Der eher kleine, grau-braun gefärbte Singvogel erscheint äusserlich ähnlich einem Sperling, unterscheidet sich aber durch seinen kleinen Kopf, durch seine Laute und vor allem durch ein ganz typisches Geräusch: Schnappt er nach einem Insekt, ist das Zuklappen des Schnabels, eben das «Schnäppern», deutlich hörbar. Beide Geschlechter sind gleich gefärbt. Mit einer Körperlänge von 13,5 bis 15 cm ist die Art etwa so gross wie ein Haussperling. Die gesamte Oberseite des Rumpfes, einschliesslich Hinterhals und Kopf sowie den kleinen Flügeldecken, sind einfarbig dunkel- bis graubraun, das Gefieder auf Stirn und Oberkopf fleckiger braun mit dunklen Schaftstreifen und hellen Säumen. Die Schwingen sind dunkler grau mit schmalen bräunlichen Säumen. Kehle, Rumpfunterseite sowie die Unterschwanzdecken sind weisslich. Der recht lange Schnabel ist schwärzlich hornfarben. Unauffällig wie der Vogel selbst ist auch sein Gesang. Männchen tragen ihn meist nur an wenigen Tagen nach der Ankunft im Revier von einer exponierten Warte vor. Er besteht aus einer Aneinanderreihung einfacher, recht leiser und etwas gepresster oder rauer hoher Töne, ein häufig etwas trillerndes «sip-sip-srii». Wesentlich auffälliger sind die Rufe der Jungvögel nach dem Ausfliegen und die Warnrufe der Eltern. Die Bettelrufe der Jungvögel sind hoch und klingen etwa wie «zit», bei Annäherung eines Altvogels mit Futter rufen die Jungvögel schnell gereiht «zi-zi-zi». Die Stimmfühlungslaute der Elternvögel klingen hoch und zirpend und kratzend wie «zieh» oder «zit». Der Grauschnäpper bewohnt vorwiegend lichte Bereiche in Wäldern aller Art bis hin zu Feldgehölzen, mit Vorliebe aber auch Parks, Friedhöfe, Gärten und Alleen in Dörfern und Städten. Gebäude stellen durch das Angebot an Nistplätzen und das durch die Wärmeabstrahlung erhöhte Insektenangebot eine willkommene Stätte dar. Grauschnäpper jagen fast ausschliesslich im Flug und überwiegend von exponierten Warten aus. Bei gutem Wetter wird bis zu zwei Drittel der Beute im freien Luftraum erjagt, der Rest im Flug von Bäumen, Hauswänden, Komposthaufen und ähnlichem – unüberhörbar mit dem typischen «klapp», wenn der Schnabel zuschnappt.
Langstreckenzieher
Die Art ist Langstreckenzieher. Der Wegzug aus der hiesigen Region erfolgt zirka Anfang August bis Ende September. Einzelne Nachzügler werden noch Ende Oktober oder Anfang November beobachtet. Die Weltpopulation des Grauschnäppers überwintert im tropischen Afrika südlich der Sahara. Die ersten Heimzieher in unserer Region werden ungefähr zeitgleich mit den Mauerseglern, Mitte April, beobachtet. Der Grauschnäpper besiedelt weite Teile des Nordens bis hinunter in die mediterrane Zone. In Ost-West-Richtung reicht die Verbreitung von Portugal und Irland über fast ganz Europa bis in den Nordosten der Mongolei. In Nord-Süd-Richtung reichen die Einzugsgebiete im Westen von Nordskandinavien bis an den Nordrand der Sahara im Maghreb; weiter östlich in die Gebiete des Urals und Jenissejs, nach Süden bis Syrien. In den zentralasiatischen Steppenregionen ist der Grauschnäpper kaum zu finden, dagegen im Süden des Irans, Afghanistans, Pakistans und entlang der Gebirge Mittelasiens.
Die Nahrung «totschlagen»
Bei schlechtem Wetter, wenn kaum Insekten fliegen, jagen die Tiere verstärkt in Bäumen und in Bodennähe. Die Nahrung besteht in erster Linie aus fliegenden Insekten wie Fliegen, Blattläuse, aber auch grösseren bis hin zu Libellen, Hummeln, Faltenwespen und Tagfaltern. Grauschnäpper schlagen grosse Insekten mehrfach gegen eine harte Unterlage und fressen sie erst dann. Bei Insekten mit Stacheln wird vorher der Hinterleib entfernt. Bei regnerischem und kaltem Wetter fressen Grauschnäpper ausnahmsweise auch Regenwürmer, ab Mitte Juli zudem verschiedene Früchte wie Hartriegel, Feuerdorn, Traubenkirsche und weitere.