Kluger Jäger in Stadt und Land
26. Juli 2014 Bericht Seite 5 im Unter-Emmentaler. Von Liselotte Jost-Zürcher
Der Turmfalke (Falco tinnunculus) ist der häufigste Falke in Mitteleuropa, der sich auch die Städte als Lebensraum erobert hat. Er war Vogel des Jahres 2008 in der Schweiz. Er ist bis auf 2000 m Höhe, eher aber im Flachland anzutreffen. Der Turmfalke ist eine sehr anpassungsfähige Greifvogelart, die in unterschiedlichen Lebensräumen zu finden ist. In Mitteleuropa ist er vorzugsweise ein häufiger Vogel der Kulturlandschaft, der überall dort leben kann, wo Feldgehölze oder Waldränder vorhanden sind. Grundsätzlich benötigt er zum Jagen freie Flächen mit niedrigem Bewuchs. Der Turmfalke fällt vor allem durch seine Jagdweise auf: Plötzlich stellt er sich im Flug gegen den Wind und verharrt dank dem sogenannten Rüttelflug und dem breit gefächerten Schwanz längere Zeit an der gleichen Stelle, um nach Mäusen Ausschau zu halten – zielgerichtet über Stellen, an welchen er aufgrund von Urinspuren, die er erkennen kann, besonders viel Beute vermutet. Urin reflektiert UVLicht, und Turmfalken sind in der Lage, dieses zu sehen, was auch bei geschlossenen Schneedecken funktioniert. Die Jagd erfolgt nicht nur im – energetisch sehr anstrengenden – Rüttelflug, sondern teilweise als so genannte Ansitzjagd, bei welcher der Falke von Weidenpfählen, Telegrafenmasten oder Ästen aus nach Beute späht.
Kluger Jäger in Stadt und Land
Der Turmfalke. In diesem Jahr wurden in der Region Sumiswald / Wasen / Eriswil in Scheunen sowie im Turm des Schlosses Trachselwald durch den Natur- und Vogelschutzverein Wasen insgesamt zehn Turmfalken-Bruten mit bis zu sechs Eiern pro Gelege festgestellt. Eine schöne Bilanz nach dem kalten Frühjahr 2013, als deutlich weniger Bruten und mit nur kleinen Gelegen zustande kamen. Der Turmfalke fällt vor allem durch seine Jagdweise auf: Er kann im sogenannten Rüttelflug längere Zeit an der gleichen Stelle verharren, um nach Mäusen Ausschau zu halten.
Im offenen Kulturland lebende Turmfalken ernähren sich überwiegend von Kleinsäugern wie Wühlmäusen und Feldmäusen. In Städten lebende Turmfalken erbeuten daneben auch kleine Singvögel, meist Haussperlinge. Der Falke ist ein sogenannter Griffhalter, der seine Beute mit den Fängen packt und durch einen Biss in den Nacken tötet. Ein frei fliegender Turmfalke benötigt täglich etwa 25 % seines Körpergewichts als Nahrungsmenge, also zirka zwei Mäuse.
Körpergrösse und Flügelspannweite variieren je nach Unterart stark. Bei den hiesigen Turmfalken erreichen Männchen durchschnittlich eine Körperlänge von 34,5 Zentimetern und Weibchen von 36 Zentimetern. Die Flügelspannweite des Männchens beträgt durchschnittlich knapp 75 Zentimeter, bei den grösseren Weibchen 76 Zentimeter.
Männchen wiegen im Schnitt etwa 200 Gramm, Weibchen durchschnittlich 20 Gramm mehr. Während Männchen das ganze Jahr über ein in der Regel konstantes Gewicht haben, schwankt das der Weibchen beträchtlich: Sie sind am schwersten während der Legeperiode, in der sie mehr als 300 Gramm wiegen können. Dabei liess sich beobachten, dass schwere Weibchen grössere Gelege haben und bei der Aufzucht ihrer Jungen erfolgreicher sind.
Deutliche Unterschiede
Das auffälligste Unterscheidungsmerkmal zwischen männlichen und weiblichen Turmfalken ist die Kopffärbung. Bei Männchen ist der Kopf grau, während Weibchen einheitlich rotbraun gefärbt sind. Männchen haben zudem auf ihrem rotbraunen Rücken kleine schwarze und zum Teil rautenförmige Flecken. Ihre Oberschwanzdecken sowie der Hinterrücken und die Schwanzfedern, der Stoss, sind hellgrau. Das Stossende weist eine schwarze Endbinde mit einem weissen Saum auf. Bauch und Unterflügeldecken sind fast weiss. Das ausgewachsene Weibchen ist am Rücken dunkel quer gebändert. Im Unterschied zum Männchen ist der Stoss braun und zeigt mehrere Querstreifen und eine deutliche Endbinde. Auch die Unterseite ist dunkler als beim Männchen und weist eine stärkere Fleckung auf. Jungvögel gleichen in ihrem Gefieder den Weibchen. Die Beine sind sattgelb, die Krallen sind schwarz.
Dank intakter Landschaft
Im Emmental / Oberaargau ist der Turmfalke recht gut verbreitet, da hier das Nahrungsangebot und die Nist möglichkeiten noch intakt sind. In den ausgeräumten, intensiv genutzten Landschaften der Niederungen ist er wesentlich seltener geworden. In den hiesigen Breitengraden sind die Turmfalken weitgehend ortstreu. Je nach Lebensraum aber sind sie sowohl Stand-, Strich- als auch ausgeprägte Zugvögel. Das Zugverhalten ist dabei im Wesentlichen vom Nahrungsangebot geprägt, das in den jeweiligen Brutarealen vorhanden ist. Die Turmfalken in der Schweiz, in Deutschland, den Niederlanden und in Belgien sind überwiegend Stand- und Strichvögel. Nur wenige unternehmen weite Wanderungen, sondern überwintern in den Regionen, in denen sich auch die Brutvögel Skandinaviens einfinden. Die in Nordasien und Osteuropa brütenden Vögel ziehen nach Südwesten, nach Südeuropa und Afrika. Die Vögel in unserer Region halten sich in eher milderer Umgebung auf. Diejenigen in den höheren Lagen von Sumiswald / Wasen / Trachselwald ziehen in kälteren Wintern oft für kurze Zeit ins flache Gebiet und kehren gegen Ende des Winter zurück zu ihren Stammplätzen.