21. August 2014 Bericht Seite 3 im Unter-Emmentaler. Von Liselotte Jost-Zürcher
Ein sprachbegabter Tausendsassa
Der Star. Zu Tausenden beginnen sie sich bereits zu sammeln, sind in riesigen Schwärmen auf den Hochleitungen und in Bäumen des Mittellands zu beobachten: Bald schon ziehen die Stare gegen Süden. Allerdings nicht alle: Winterharte Standvögel bleiben auch in der kalten Jahreszeit in der Schweiz. Stare sind herrliche Schlaumeier, überraschen mit ihrer Fähigkeit, Stimmen zu imitieren. Sie bestechen, aus der Nähe betrachtet, mit ihrem wunderbaren, metallfarbenen, glänzenden Federkleid.
Der Star (Sturnus vulgaris) ist der häufigste Vertreter der Familie der Stare (Sturnidae) und dank recht dichtem Vorkommen auch auf anderen Kontinenten einer der häufigsten Vögel der Welt. Mit einer Körperlänge von 19 bis 22 cm ist der Star etwas kleiner als die Amsel. Aus der Ferne lassen sich die beiden Vögel vor allem bei der Nahrungssuche unterscheiden: Der Star läuft auf den Feldern herum, die Amsel hüpft. Im Schlichtkleid – auch Ruhe- oder Winterkleid genannt – sind die Körperfedern des Stars schwärzlich mit metallisch grünem oder purpurnem Glanz und haben weisse bis beigefarbene Spitzen. Der ganze Körper erscheint dadurch hell gepunktet. Schwingen und Steuerfedern sind schwarzbraun mit hellbräunlichen Säumen, die Armschwingen sind metallisch glänzend gesäumt. Das Prachtkleid – Brutkleid – entsteht im Frühjahr. Die hellen Spitzenflecken im Körperkleid verschwinden; das Körpergefieder wird dunkler und noch glänzender; die metallenen Farben werden intensiv und leuchtend. Der Schnabel ist im Prachtkleid gelb, im Schlichtkleid schwärzlich. Die Geschlechter unterscheiden sich nur geringfügig. Die Weibchen sind etwas weniger intensiv metallisch glänzend gefärbt als die Männchen. Ihre Punktzeichnung auf dem Körper bleibt im Prachtkleid meist deutlicher erhalten, was sie heller als die Männchen erscheinen lässt. Frisch ausgeflogenen Staren fehlt der Metallglanz. Der Körper ist noch erdbraun, die Kehle heller.
Singen und spotten ohne Unterbruch
Stare sind ausgesprochen singfreudig. Sie tragen ihren Gesang ganzjährig und meist von einer exponierten Warte vor, während der Brutzeit in unmittelbarer Nähe zur Bruthöhle. Besonders intensiv singende Stare sträuben das Gefieder und flattern mit den gespreizten Flügeln. Der Star ist für sein «Spotten» berühmt, also für seine Fähigkeit, Tierstimmen und Laute zu imitieren. Der anhaltende, schwätzende Gesang besteht aus verschiedensten Pfeiftönen, Schnalz- und Zischlauten sowie täuschend echten Imitationen von Vogel- und anderen Tierstimmen oder technischen Lärmquellen. Problemlos werden Hundegebell, das Geräusch von Rasenmähern oder neuerdings auch Klingeltöne von Mobiltelefonen nachgeahmt – auch die Stare gehen mit der Zeit! Der Star besiedelt praktisch ganz Europa. Ausserdem begann er, sich in Asien, in Südwest-Afrika, Neuseeland, Australien und Nordamerika anzusiedeln. Er besiedelt in Letzterem heute fast den gesamten Kontinent vom arktischen Kanada bis in das subtropische Mexiko. In der Schweiz ist der Star flächendeckend bis in Höhenlagen von etwa 1500 Metern vertreten, in höchsten Dichten jedoch in Bereichen mit höhlenreichen Baumgruppen und benachbartem Grünland zur Nahrungssuche. Stare bauen ihre Nester eher unstrukturiert und «unordentlich» aus trockenen Blättern, Halmen, Wurzeln, Stroh, Haaren, Wolle und Federn in den unterschiedlichsten Arten von Baumhöhlen, Felsspalten, im Siedlungsbereich in Nistkästen und Hohlräumen an Gebäuden.
Männchen haben das Sagen
Stare führen eine Brutehe. Männchen können zwar während einer Brutperiode monogam sein. Nicht selten aber verpaaren sie sich gleichzeitig mit mehreren Weibchen oder gründen aufeinanderfolgende Bruten mit verschiedenen Weibchen. Die Eier sind in unserer Region hellblau und ohne Zeichnung. Das aus 4 bis 7 Eiern bestehende Gelege wird 11 bis 13 Tage lang bebrütet. Die Nestlingszeit beträgt 17 bis 21 Tage. Der Grossteil der Jungvögel fliegt vor Mitte Juni aus. Bei den letzten Jungvögeln aus Spät- oder aus Folgebruten polygener Männchen kann es durchaus Mitte bis Ende Juli werden, bis sie ausfliegen.
Ein Allesfresser
Generell ist der Star Allesfresser. Je nach Jahreszeit sucht er als Nahrung vor allem Insekten, aber auch Regenwürmer und kleine Schnecken. Daneben enthält seine Palette Obst und Beeren aller Art, in Mitteleuro- pa vor allem Kirschen und Äpfel, in West- und Südeuropa vor allem Weintrauben und Oliven. Daneben nutzt der Star auch Nahrungsabfälle des Menschen. Der Star ist in Europa je nach geografischer Lage Standvogel bis Mittelstreckenzieher, wobei die mitteleuropäischen und damit auch die schweizerischen Populationen Teilzieher sind. Das heisst, einige Standvögel bleiben zurück; ein grösserer Teil zieht südwärts, insbesondere in den Mittelmeerraum. Anfang September beginnt der eigentliche Wegzug, der seinen Höhepunkt Mitte Oktober erreicht und Ende November weitgehend abgeschlossen ist. Der Heimzug beginnt bereits im Februar – schwarmweise, unüberhörbar mit viel Gekreisch – und ist spätestens Ende März beendet. Die Stare bewegen sich ganzjährig in Trupps oft in riesigen Schwärmen. Nur am Brutplatz ist der Star territorial. Meist wird dabei die Bruthöhle verteidigt. Nahrungsflächen werden dagegen gemeinsam und sehr sozial genutzt. Die ab Mitte Juni selbständigen Jungvögel bilden sofort neue Schwärme, die sich in nahrungsreichen Gebieten konzentrieren und durch den Zwischenzug der Jungvögel nördlicher Populationen bis zum Ende des Sommers ständig vergrössern.
Besammlung in der Dämmerung
Abends sammeln sich die Stare an Vorsammelplätzen, meist auf exponierten Strukturen wie hohen Bäumen oder Stromleitungen – ein Phänomen, welches gegenwärtig oft beobachtet werden kann. Von hier fliegen sie dann in Trupps oder grösseren Schwärmen zum eigentlichen Schlafplatz. Grosse Schwärme mit mehreren Tausend Vögeln bilden über dem Schlafplatz häufig eine Wolke, aus der die Stare dann schlauchförmig nach unten fliegen – ähnlich einem Tornado. Durch die gesellige Lebensweise profitieren die Vögel voneinander, sowohl bei der Nahrungssuche als beim gegenseitigen Warnen vor Feinden: Beim Angriff von Greifvögeln beispielsweise ziehen sich Schwärme schnell zu Bändern oder kugelförmigen Haufen zusammen, die sich überaus koordiniert bewegen. Des einen Glück, des andern Pech: Nicht alle freuen sich an den kreischenden Starenschwärmen und ihren wolkenartigen Fluggebilden. In Obstkulturen, Weinbergen und in südlichen Ländern in den Olivenhainen können sie empfindliche Schäden anrichten. Doch auch für sie ist das Leben nicht einfacher geworden. Etwa seit Mitte der 1960er Jahre des 20. Jahrhunderts werden in Nordwest- und Nordeuropa starke Bestandsrückgänge verzeichnet. Kenner führen dies zum Teil auf den Rückgang von extensiven Landflächen und intensiven Pestizideinsatz zurück, ebenso jedoch auf klimatische Veränderungen.