09. August 2014 Bericht Seite 3 im Unter-Emmentaler. Von Liselotte Jost-Zürcher
Ein Rotschwanz ist nicht einfach ein Rotschwanz
Der Garten- und der Hausrotschwanz. Bis in die 1970er-Jahre war der Gartenrotschwanz in unserer Region fast so häufig vertreten wie der Hausrotschwanz. Doch die Dürrezeiten in der Sahelzone und das hiesige landwirtschaftlich intensive Umfeld haben ihn zum seltenen Gast werden lassen: In diesem Sommer wurden in der Region Sumiswald - Wasen - Eriswil nur selten singende Männchen gehört, die offenbar auf der Suche nach einem Weibchen waren. Häufig wird dagegen der Hausrotschwanz beobachtet - und nicht selten mit dem Gartenrotschwanz verwechselt.
Die Weibchen der beiden «Rotschwänze» lassen sich kaum unterscheiden: Das Weibchen des Hausrotschwanzes ist grau, unten «verwaschen» hell, dasjenige des Gartenrotschwanzes falbgrau-beige, mit einer sehr hellen Bauchpartie. Deutlicher ist der Unterschied bei den ausgewachsenen Männchen: Der Gartenrotschwanz ist wunderschön kontrastfarben, zeichnet sich insbesondere durch seinen rotgoldfarbenen Bauch aus. Die Stirn ist schwarz, der Schwanz rostbraun, die Flügel bräunlich. Der männliche Hausrotschwanz dagegen ist an der schwarzen Gesichtsmaske und Brustpartie und der rostorangen Unterseite leicht zu unterscheiden. Die Spezialität beider Rotschwanz-Arten: Ein Grossteil der Männchen sieht im ersten Lebensjahr – also wenn sie bereits geschlechtsreif sind – noch immer wie Weibchen aus, denn sie weisen eine verzögerte Gefiederreifung auf. «Ich werde nicht selten gefragt, weshalb zwei Hausrotschwanz-Weibchen brüten und die Jungvögel füttern würden», sagt Martin Leuenberger, Präsident des Natur- und Vogelschutzvereins Wasen, im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler». In diesen Fällen handelt es sich nicht um zwei Weibchen, sondern um ein Paar mit einem einjährigen Männchen. Aber nicht alle der einjährigen Männchen entwickeln diese verzögerte Gefiederreifung; etwa 15 Prozent zeigen das «Fortschrittskleid» und ähneln schon stark den adulten Männchen. Ihnen fehlen aber die weissen Flügelspiegel und die dunklen, schwärzlichen Flügelfedern der Mehrjährigen.
Aus der Familie der Schnäpper
Aus der Familie der Schnäpper Der Rotschwanz ist eine Vogelart aus der Familie der Fliegenschnäpper. Der Gartenrotschwanz besiedelt Eurasien ostwärts bis zum Baikalsee sowie Mitteleuropa, Teile Nordafrikas und des Nahen Ostens. Seit Beginn der 1980er- Jahre sind die Bestände der Art stark rückläufig. In der Schweiz wird er nur noch recht selten gesehen. Insgesamt scheinen sich die Bestände jedoch in den letzten Jahren auf niedrigem Niveau zu stabilisieren. In der Schweiz war der Gartenrotschwanz 2009 Vogel des Jahres.
Er ist ein Transsaharazieher, der sich schon im Spätsommer auf den Weg in die Winterquartiere macht. Als Höhlen- und Halbhöhlenbrüter bewohnt er vorwiegend lichte Laubwälder, Parkanlagen und Gärten mit altem Baumbestand. Die Nahrung besteht hauptsächlich aus Insekten, Spinnen und Weberknechten sowie Käfern.
Weit verbreitet
Der Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) besiedelt vorwiegend West- und Mitteleuropa und ist ein klassischer Kurzstreckenzieher. Er überwintert vorwiegend im Mittelmeerraum, verlässt dabei als eine der letzten wegziehenden Arten das Brutgebiet und kehrt früh im Jahr bereits zurück. Im letzten milden Winter wurde im Januar ein Hausrotschwanz auf der Vorderarnialp gesehen; dieser ist demnach gar nicht weggezogen. Während die Reviertreue mehrjähriger Vögel sehr stark ist, kehren einjährige Hausrotschwänze praktisch nie an den Geburtsort zurück. Dies dürfte bei der Neueroberung von Lebensräumen eine erhebliche Rolle spielen. Der Rückzug erfolgt in der Regel bereits anfangs März.
Als einzige Rotschwanzart besiedelt er ein Verbreitungsgebiet, das von den zentralasiatischen Gebirgsregionen westwärts bis in die Bergregionen des Mittelmeerraums und Europas sowie in die gemässigten Tieflandregionen Nordost-, Mittel- und Westeuropas, in den Osten Chinas, in die Mongolei und in den Süden Russlands reicht. Weiter in westlicher Richtung verläuft die Nordgrenze des Brutareals von den Gebirgsausläufern und den Vorbergen Mittelasiens entlang dem Altai-Gebirge bis zum Hindukusch. Die Tiefländer, Steppen und Halbwüsten Turkmeniens und Usbekistans unterbrechen das Brutgebiet des Hausrotschwanzes; erst im Kopet-Dag- und Elburs-Gebirge und dem Kaukasus ist die Art wieder vertreten. War er einst im Gebirge zuhause, ist er heute mehrheitlich in den Siedlungsgebieten heimisch. In Europa dürften die Siedlungen mittlerweile 90 Prozent des Gesamtbestands beherbergen.
Der Hausrotschwanz wird als ungefährdet eingestuft und gehört zu den Singvogelarten, deren Bestände in Euopa in den letzten Jahren leicht zugenommen haben. Sein Reviergesang besteht – wie die des Gartenrotschwanzes – aus einer klar in drei Abschnitte gegliederten Strophe. Allerdings «singt» der Hausrotschwanz weniger flötend. Man hört ihn meist von einem Dachfirst oder einem Kamin aus. Der Anfangsabschnitt klingt etwas mühsam und gepresst und lässt sich ungefähr mit «jirr tititi» definieren, wobei die Lautstärke gegen Ende hin zunimmt. Nach einer Pause von ungefähr einer Sekunde folgt der charakteristische kratzende, geräuschartige Mittelteil, der mit dem Schlussteil wie «krchrch-tütititi» schliesst. Der Schlussteil und auch der Mittelteil werden gelegentlich weggelassen. Neben dem Gesang sind am häufigsten zwei Rufe zu hören, die oft auch kombiniert werden und beide als Kontakt-, Alarm- oder Erregungsruf Verwendung finden. Dies ist zum einen ein kurzes, nach oben gezogenes «huid», «fit» oder «sit», zum anderen ein schnalzendes, aggressiv klingendes «tk-tk» oder «tuc-tuc». Besonders letzterer Ruf wird bei Annäherung von Bodenfeinden schnell und aufgeregt vorgetragen. Der Hausrotschwanz ist im Herbst, kurz vor dem Wegzug, wieder zu hören, was nur bei wenigen Singvögeln der Fall ist.
Gar nicht wählerisch
Gar nicht wählerisch Bei der Wahl der Neststandorte ist der Hausrotschwanz ausgesprochen flexibel und störungsunempfindlich. Er nistet in Kiesgruben, Steinbrüchen, von Stützmauern durchzogenen Weinbergen und praktisch allen Typen von Wohn-, Gewerbe- und Industrieanlagen. Die Nahrung des Hausrotschwanzes besteht vor allem aus wirbellosen Kleintieren, aber auch pflanzliche Nahrung, insbesondere Beeren, spielt eine gewisse Rolle. Er ist hauptsächlich ein Wartenjäger. Typisch ist dabei das Lauern auf am Boden befindliche Beutetiere von erhöhten Positionen. Am häufigsten wird die Beute mit geradlinigen Sturzflügen erreicht. Es werden auch Fluginsekten erbeutet, und sogar den Rüttelflug setzt der Hausrotschwanz zum Nahrungserwerb ein und kann auf diese Weise Beutetiere an Felsen oder Gehölzen ablesen oder Beeren von Sträuchern pflücken.
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