02. September 2014 Bericht Seite 3 im Unter-Emmentaler. Von Liselotte Jost-Zürcher
Kleines hübsches Vögelchen – am liebsten auf hohen Tannenwipfeln
Das Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapillus) ist eine Vogelart aus der Familie der Goldhähnchen (Regulidae). Es ist leicht mit dem ebenfalls in der Schweiz vertretenen Wintergoldhähnchen zu verwechseln. Der Unterschied zwischen den beiden Arten ist vor allem hörbar – oder eben nicht.
Das Sommergoldhähnchen gehört zu den kleinsten Vögeln der Schweiz, ist nur etwa 9 cm lang und wiegt zwischen vier und sechseinhalb Gramm; ein Haussperling wiegt im Vergleich etwa fünfmal mehr. Es hat eine Flügelspannweite von gerademal 13 bis 16 Zentimeter. Im Aussehen ähnelt das zierliche Sommergoldhähnchen dem Wintergoldhähnchen: Es hat einen gelbgrünen Rücken, der Bauch ist weisslich grau, die Flügel sind dunkler und haben zwei weisse Flügelbinden. Markant ist der Scheitelstreifen. Dieser ist denn auch das beste Unterscheidungsmerkmal der Geschlechter: Derjenige des Männchens ist eher orange, der des Weibchens eher Gelb.
Nur für junge und gute Ohren
Den sichtbaren Unterschied zum Wintergoldhähnchen bildet der weisse Überaugenstreif, der das Sommergoldhähnchen etwas bunter erscheinen lässt. Hörbarer Unterschied – oder eben nicht hörbar – zwischen den beiden Goldhähnchen ist der Gesang. Die Stimme des Sommergoldhähnchens ist meisenartig, ein leises, aber deutlich vernehmbares «sisisisi» auf einer Höhe. Der Gesang und die Rufe der Wintergoldhähnchen sind dagegen so hoch, dass sie insbesondere von Menschen über 50 gar nicht oder nur in unmittelbarer Nähe wahrgenommen werden. Hört ein über 50-jähriger Mensch ein Wintergoldhähnchen, darf er sich über ein noch sehr gutes Gehör freuen. Stimmäusserungen, der Gesang als solcher, ist bei Wintergoldhähnchen und Sommergoldhähnchen weitgehend ähnlich. Dies begünstigt wahrscheinlich die Schwarmbildung der beiden Arten, die in südlichen Regionen gelegentlich im Winter beobachtet wird. Die deutlich unterschiedlichen Laute beim Reviergesang verhindern dagegen eine Kreuzung der beiden Arten, obwohl deren Reviere sich zuweilen überschneiden. Während der Reviergesang nur von Männchen vorgetragen wird, ist der Plaudergesang von beiden Geschlechtern zu hören.
Lebensraum hoch oben
Sommergoldhähnchen leben in Nadel- und Mischwäldern sowie in Parks. Sie sind nicht so sehr an Nadelwälder gebunden wie die Wintergoldhähnchen, halten sich aber bevorzugt in Baumwipfeln auf. Nicht zuletzt deshalb werden sie eher selten gesehen; wenn, dann meistens bei der Nahrungssuche oder in höheren Lagen, wo man von einem Hügel oder Höhenweg aus auf die Tannenwipfel hinunter sieht.
Umso grösser ist die Freude, wenn diese emsigen Vögelchen, welche ihrem Namen alle Ehre machen, beobachtet oder – wie dies dem «UE»-Fotograf gelungen ist – im Bild festgehalten werden können. Sie fressen Insekten und Insektenlarven sowie Spinnen. Die Brutzeit dauert von Mitte April bis Ende Juli. Die Nester sind tief und dick mit Moos gepolstert. Sie werden meistens an der Unterseite eines Astes befestigt. Das Gelege besteht aus sieben bis elf Eiern. Bebrütet werden sie 14 – 17 Tage. Etwa drei Wochen nach dem Schlüpfen verlassen die Jungen das Nest. Das Sommergoldhähnchen ist ein Kurzstreckenzieher und verlässt im Gegensatz zum etwas widerstandsfähigeren Wintergoldhähnchen im Winter die Schweiz. Die Abwanderung aus dem engeren Brutgebiet findet ab Ende Juli statt, der Wegzug von Mitte August bis Anfang November mit einem Höhepunkt Mitte September. Überwintert wird hauptsächlich auf der Iberischen Halbinsel und im westlichen Mittelmeerraum bis in die Maghreb-Länder. Der Heimzug erfolgt ab Anfang März, die Ankunft zieht sich bis Ende April hin. In der Schweiz ist das Sommergoldhähnchen im Mittelland, im Jura und im Voralpengebiet häufig anzutreffen, vor allem in Nadel- und Mischwäldern zwischen 500 und 1200 m ü. M. Im Wallis, Tessin und Graubünden brütet es eher zerstreut oder lokal.
Es gilt in der Schweiz und in Europa als nicht gefährdet; wohl nicht zuletzt wegen der weiten Verbreitung seines Lebensraums und seiner Flexiblität. Die Verbreitung des Sommergoldhähnchens ist weitgehend auf Mittel-, West-und Südeuropa sowie auf Nordwest-Afrika beschränkt. Im Osten erstreckt sich das Areal bis nach Weissrussland und in die Ukraine.