25. September 2014 Bericht Seite 16 im Unter-Emmentaler. Von Liselotte Jost-Zürcher
Mit Tisch und Grill fing alles an ...
... längstens aber ist der Zugvogeltag auf dem Hinterarni im Rahmen der internationalen Birdwatch Days ein Volksfest, eine Chilbi und – bei gutem Wetter – ein Mekka für Vogelkenner und -beobachter geworden. Der Anlass wurde 1995 vom Natur- und Vogelschutzverein Wasen ins Leben gerufen. Am Samstag/Sonntag, 4./5. Oktober, findet er auf dem Hinterarni zum 20. Mal statt.
«Fahre, noch chly – haut!» Am letzten Samstag, einen Tag nur nach der grossen Alpabfahrt, begannen auf dem Hinterarni in der «Arnischüür» die Vorbereitungen des Natur- und Vogelschutzvereins Wasen (NVW) für den diesjährigen Zugvogeltag, den Birdwatch Day 2014. Unter anderem wurde die grosse Scheune mit Holzschnitzeln belegt, wurden Diele und Wände mit Vlies ausgekleidet und die diesjährige Ausstellung zusammengestellt. Davon profitierte allerdings vorerst die Kirchgemeinde Wasen für den traditionellen Bettagsgottesdienst auf dem Hinterarni.
Langjährige Zusammenarbeit
Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. «Wir dürfen die Scheune und die Infrastruktur auf der Hinterarnialp benützen. Ohne dieses Entgegenkommen der Familie Reist wäre die Durchführung der Zugvogeltage hier oben nicht möglich», sagen Martin Leuenberger, Präsident des NVW, und der OK-Präsident Martin Pfister gegenüber dem «Unter-Emmentaler». Die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Pächtern der Hinterarnialp – und gleichzeitigen Betreibern der Alpwirtschaft – und dem Natur- und Vogelschutzverein begann bereits mit der früheren Generation der Familie Reist. Man habe die Festwirtschaft des NVW nie als Konkurrenz zur Alpwirtschaft betrachtet, sagt Jürg Reist von der Hinterarnialp. «Bei gutem Wetter haben sie viele Gäste und wir auch; bei schlechtem Wetter läuft es an beiden Orten eher ruhig.» In erster Linie aber wollen er und seine Familie die Tätigkeit des Natur- und Vogelschutzvereins unterstützen: «Mitglieder machen alles ehrenamtlich, im Dienst der Natur und der Vogelwelt. Da leisten wir gerne auch einen Beitrag dazu.»
Sonnenbrand und Schneemann
In diesem Jahr findet der 21. Internationale Zugvogeltag statt. Der erste solche Anlass fiel in das Gründungsjahr des Natur- und Vogelschutzvereins Wasen, 1993. 1994 wurde der sehr junge Verein angefragt, ob er in der Region auch einen Zugvogeltag durchführen möchte. Man entschied sich vorerst für eine Ausstellung. Ein Jahr später war dann auch Wasen bereit. Auf dem Hinterarni wurden ein Tisch für die Beobachtungsstation und ein Grill hingestellt. Ein kleiner, offener Teil in der Scheune diente als «Festwirtschaft», eher aber als Unterstand zum Essen der Bratwurst mit Brot. Trotz der einfachen Aufmachung zeichnete sich schon damals ein grosses Interesse der Bevölkerung und Vogelkenner von nah und fern ab. Die Festwirtschaft wurde vergrössert und mit Tischen und Bänken versehen. Vor allem aber begann der NVW, die Scheune mit Vlies auszukleiden um Durchzug zu vermeiden. Zudem wurden Heizmöglichkeiten geschaffen, denn im Verlauf der Jahre erlebten die Vereinsmitglieder und Tausende von Besuchern jedes Wetter: Kälte und Nässe, Sonnenbrände an der Beobachtungsstation, Minustemperaturen, die gefürchtete Nebelbise, welche jede Sicht verwehrte, 2003 gar Schneefall: So baute Martin Pfister damals mit seinem kleinen Göttibuben vor der Scheune einen Schneemann. Jährlich sucht der Verein nach einem neuen, interessanten Thema für die Ausstellung. Dazu kamen bislang Attraktionen wie ein Fotowettbewerb, eine Schmetterlings-Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Rohrbacher Schmetterlingskenner und -züchter Fritz Anliker und weiteres. Längst gehört volkstümliche musikalische Unterhaltung zum Programm; seit 1999 wird zudem «gezwirbelet». Die Beobachtungsstation wurde zuvorderst auf die «Egg» gezügelt; die Festwirtschaft läuft im Hintergrund in der Scheune und unabhängig von den Zugvogel-Beobachtungen. «Es ist zu hektisch geworden, um beides miteinander zu vereinbaren. Wir mussten die Aufgaben teilen, damit die Vögel ungestört beobachtet werden können», stellt Martin Pfister fest. Ein eingespieltes Team arbeitet über die beiden Tage hinweg auf Hochtouren in der Festwirtschaft. Ein reichhaltiges Buffet unter der Leitung von Hans Jost erwartet die Gäste. Von früh bis spät dabei – bereits beim Einrichten – ist jeweils auch der 83-jährige Urs Schüpbach, der seine tatkräftige Hilfe als selbstverständlich erachtet.
Mitwirkung von Pfarrer Ueli Märtin Bis heute ist der Erfolg des Anlasses stark abhängig vom Wetter. «Es ist schön, dass viele Leute aus der Region kommen, auch wenn vielleicht kaum Vogelschwärme zu sehen sind. Das Volk kommt dann einfach, um gemütliche Stunden zu erleben», freut sich Martin Pfister. Dieses Jahr dürfte es sich für die «Einheimischen» besonders lohnen: Als Festredner zum 20-Jahr-Jubiläum Hinterarni-Zugvogeltage konnte der einstige Pfarrer der Kirchgemeinde Wasen, Ueli Märtin, gewonnen werden. Er spricht am Sonntag, 5. Oktober 13 Uhr. Wie in all den Jahren aber werden die Mitglieder des NVW in den Tagen vor dem Anlass kritisch zum Himmel schauen und mit Herzklopfen die Wettervorhersagen verfolgen – klares Wetter an den Zugvogeltagen ist nach wie vor das Highlight im Vereinsjahr. «Am besten ist es jeweils, wenn vor den internationalen Zugvogeltagen Kälte und Regenwetter herrschen und die Wolken sich während dem Birdwatch dann heben. In einer solchen Wettersituation mit klarer Fernsicht ziehen Tausende von Zugvögeln über das Emmental hinweg und lassen sich wunderbar sehen», weiss Martin Leuenberger.
Die mit Abstand am meisten vertretene Zugvogelart ist der Buchfink, gefolgt von der Ringeltaube (der «UnterEmmentaler» berichtete). Unzählige Kurz- und Langstreckenzieher wie Schwalben, Drosseln, Feldlerchen, Kormorane, Staren, Rotschwänze, diverse Greifvögel und andere ziehen südwärts. Erfahrene Kenner des NVW halten die Beobachtungen und die geschätzten Zahlen der Zugvogelschwärme fest. Zu besonderen Erlebnissen gehört es, wenn etwa ein Adler oder ein Rohrweiher vorüberzieht. Nicht zu vergessen sind die Schmetterlinge, wie etwa die Admirale, welche ebenfalls in warme Länder ziehen.
Zwischen den Beobachtungen geben die «Standleute» dem interessierten Volk bereitwillig Auskunft. «Wir sind stark auf unsere Leute angewiesen, welche die Vögel kennen», sagt Martin Leuenberger. «Anfangs habe ich jeweils fast Blut geschwitzt», blickt er zurück. «Wir wussten selbst nur wenig über die Zugvögel.» Denn unter den Interessierten habe es auch viele Ornithologen. Der Verein wollte sich aber keinesfalls blamieren, liess sich von Kennern schulen und trägt heute mit riesiger Freude zu den internationalen Beobachtungen und Aufzeichnungen der Zugvögel bei.