Ein aussergewöhnliches Hornissenjahr
13. Oktober 2015 Bericht Seite 7 im Unter-Emmentaler. Von Liselotte Jost-Zürcher
Ein aussergewöhnliches Hornissen-Jahr
In diesem Jahr konnten in der Region ungewöhnlich viele Hornissen-Bruten festgestellt werden – nicht nur in für sie vorgesehenen Kästen oder in natürlichen Höhlen, sondern auch in zahlreichen Nistkästen von Vögeln. Durch ihre Grösse beeindruckt die Wespenart, und von entsprechend vielen Legenden ist sie umgeben. Doch Hornissen sind friedlich, ein allfälliger Stich ist in den meisten Fällen längst nicht so gefährlich wie befürchtet. Hornissen müssten gefördert werden; sie sind Nützlinge für das ökologische Gleichgewicht von Flora und Fauna.
Die Hornisse ist die grösste in der Schweiz und in Mitteleuropa vorkommende Faltenwespe. Die Körpergrösse der Königin beträgt bis zu 35 Millimeter, die der Arbeiterinnen 18 bis 25 Millimeter und die der Drohnen 21 bis 28 Millimeter. Hornissen bilden einjährige Völker. Die Königin gründet im Frühjahr ihr Nest, indem sie die erste Wabe und den Beginn einer Schutzhülle aus zerkautem Holz fertigt. In diese Wabe legt sie befruchtete Eier. Die geschlüpften Larven füttert sie selbst bis zur Verpuppung mit Insekten. Sie bildet damit ihr Volk, ihre Arbeiterinnen oder auch Hilfsweibchen genannt, die der Königin später fast alle Arbeiten abnehmen.
Nester erst im Frühling räumen
Hornissen sind überaus rege und anpassungsfähig. Sie können mit ihrem Volk umziehen, wenn ihnen der Hohlraum, in dem sich das Nest befindet, zu eng wird. Im Herbst – auf dem Höhepunkt der Volksentwicklung – schlüpfen junge Königinnen und Männchen (Drohnen). Die Drohnen kämpfen anschliessend untereinander, um die Königinnen zu befruchten. Nur die begatteten jungen Königinnen überwintern; der Rest des Volkes stirbt spätestens beim ersten Nachtfrost. Das Nest wird im nächsten Jahr nicht wieder besiedelt. Hornissennester sollten aber auf jeden Fall erst im darauffolgenden Frühjahr entfernt werden, denn Nützlinge benützen sie zum Überwintern. So etwa die Florfliege und auch deren Larven, die Blattläuse in grossen Mengen verzehren und deshalb in der Land- und Forstwirtschaft als biologische Schädlingsbekämpfer geschätzt oder sogar gezüchtet werden.
Insektenfresser und Bestäuber
Hornissen ernähren ihre Brut mit fast allen für sie überwindbaren Insekten und Spinnen. Ein gut entwickeltes Hornissenvolk mit 400 bis 700 Tieren vermag pro Tag bis zu einem halben Kilogramm Insekten zu erbeuten. Erwachsene Tiere dagegen ernähren sich von Baum- und Pflanzensäften, die sie an Baumwunden aufnehmen oder sich durch Nagen an jungen Ästen beschaffen. Im Spätsommer ist Fallobst für sie eine Delikatesse. Ganz nebenbei übernehmen sie beim Besuch von Blüten die Bestäubung. Im Gegensatz zu Bienen fliegen Hornissen, Wespen und Hummeln auch bei kühlem Wetter und bestäuben selbst bei Wind und Regen. Die Hornisse ist an sich ein sehr friedliches, eher scheues Tier und kann in nächster Nähe von Wohnhäusern leben, ohne Probleme zu verschaffen. Doch sie kann durchaus wehrhaft sein, wenn sie ihr Nest gefährdet sieht. Dies geschieht in einem Verteidigungsradius von zwei bis sechs Meter. Werden die Tiere häufig gestört, erweitert sich dieser Radius. Innerhalb dieses Bereiches sollte man hektische Bewegungen und Erschütterungen wie Rasenmähen vermeiden.
Geringe Gefährdung für Menschen
Die Gefährdung für Menschen und deren Haustiere, welche einen Hornissenstich erleiden, ist in über 95 % aller Fälle gering. Das Sprichwort «sieben Stiche töten ein Pferd, drei Stiche einen Menschen, zwei Stiche ein Kind» stimmt bei weitem nicht. Bienenstiche beispielsweise sind deutlich giftiger. Allerdings wird der Hornissenstich etwas schmerzhafter als der einer kleineren Wespe empfunden; dies hängt einerseits mit der Substanz des Hornissengifts zusammen, anderseits mit dem grösseren Stachel, der in tiefere, Hautschichten eindringen und stärkere Schmerzen verursachen kann. Ein Hornissenstich ist im Allgemeinen nicht tödlich; als mögliche Ausnahme gelten, wie bei jedem Insektenstich, Allergiker. Bei etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung können Hornissenstiche allergische Reaktionen auslösen. Gefährlich werden dagegen Stiche im Mund oder Rachenraum. Im Normalfall sind für eine Lebengefährdung 500 bis 1000 intensive Hornissenstiche Voraussetzung. Allerdings stechen bei «Gefahr» nur etwa ein Zehntel der Hornissen eines Nestes; 500 Stiche zu «erwischen» ist deshalb niemals möglich. Jagende oder sammelnde Hornissen, die sich nicht in der direkten Umgebung ihres Nestes befinden, stechen nur, wenn sie gequetscht werden, sonst versuchen sie zu fliehen. Aus Sicht des Menschen können Hornissen als Nützling betrachtet werden. Sie fressen nicht an Süssspeisen, stören deshalb kein «Zvieri» am Gartentisch. Doch gelegentlich machen sie Jagd auf andere Insekten wie Wespen, die sich am Eiscreme oder am Kuchen gütlich tun und so für ihre grossen Artgenossen eine leichte Beute sind. Die Hornissen stören anschliessend die Zvieri-Runde nicht, sondern fliegen mit ihrer Beute an einen ruhigerenOrt, zerlegen sie und bringen sie in ihr Nest. Hornissen stehen in Österreich und Deutschland unter Artenschutz. In der Schweiz ist der Hornissenschutz kantonal geregelt; im Kanton Bern besteht allerdings keine Regelung. Die Insektenart sollte aber der Natur zuliebe gefördert werden; Nester sind nur in aussergewöhnlichen Fällen zu bekämpfen.
Achtung Parfüm!
Anschliessend einige «Verhaltensregeln» im Umgang mit Hornissen (Quelle: natürlich.ch). «Hornissen (Vespa crabro) stechen nur zur Verteidigung, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen oder am Nest gereizt werden. Wer zum Beispiel gerne auf Jägerstände klettert, sollte dort zwischen Mai und Oktober immer auf ein Hornissennest vorbereitet sein. Schon das unachtsame Betreten der Leiter reicht aus, um den Stock in Alarmbereitschaft zu versetzen: Kundschafter werden ausgesandt. Die ermahnen den Eindringling vorerst, sich zurückzuziehen. Hilft dies nicht, alarmieren sie die Staffel, und diese verteidigt das Nest, wenn nötig stechend. Ihren Stachel setzen die Hornissen aber nur gezielt und äusserst selten ein. Meistens flüchten sie bei Gefahr. Unmittelbar am Nest im Umkreis von etwa drei Metern sollten gewisse Regeln respektiert werden: Insbesondere grössere Völker reagieren empfindlich auf Erschütterungen (Zuschlagen von Türen, festes Auftreten, Rasenmähen). Die Flugbahn zum Nest darf nicht verstellt werden. Wichtig zu wissen ist auch, dass sich Hornissen leicht von Gerüchen irritieren lassen. Es versteht sich darum von selbst, dass Zigarettenrauch und Abgase von Auto, Moped oder Rasenmäher unbedingt zu vermeiden sind. Vorsicht ist aber auch bei Parfüms geboten. Manche Duftstoffe enthalten Bestandteile, die in ihrer chemischen Zusammensetzung dem Alarmpheromon ähneln, mit dem Hornissen ihren Stammesgenossen die Richtung eines zu erwartenden Angriffs signalisieren. Hornissennestern nähert man sich deshalb vorteilhaft unparfümiert. Am Nest dürfen die Tiere keinesfalls direkt angeatmet werden. So kann man sich sogar näher als 30 Zentimeter an das Nest heranwagen. Den Betrachter gelegentlich umkreisende Arbeiterinnen lässt man gewähren, bis sich deren Neugier von selbst legt, oder man zieht sich behutsam zurück.»