10. Oktober 2015 Bericht Seite 5 im Unter-Emmentaler. Von Barbara Pfister
Sogar der Steinadler gab sein Stelldichein
An 62 Orten in der Schweiz konnten am letzten Wochenende die Vögel auf ihrem Zug ins Winterquartier verfolgt werden. Der Beobachtungsstand des Natur- und Vogelschutzvereins Wasen auf der Hinterarnialp wurde auch dieses Jahr zum Treffpunkt vieler Vogelzug-Interessierter.
Zugvögel auf ihrem Weg in den Süden zu beobachten, ist eindrücklich und faszinierend zugleich. Was diese Tiere leisten um in ihr Winterquartier zu gelangen ist unglaublich.Sie überqueren Berge und Meere – und müssen doch immer damit rechnen, ihr Ziel nie zu erreichen. Die illegale Vogeljagd im Mittelmeerraum kostet jährlich rund 25 Millionen Zugvögeln das Leben. Der Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, setzt sich ein für den Kampf gegen diese Jagd, und für das Wohl der Zugvögel in den Brutgebieten, auf dem Zugweg und in den Winterquartieren in Afrika.
Naturwunder Vogelzug
Jeden Herbst durchqueren Millionen von Zugvögel die Schweiz, auf ihrem Weg in ihre Winterquartiere im Süden. Das Erstaunliche am Vogelzug ist, dass er instinktiv, dass heisst genetisch gesteuert, erfolgt – Generationen von Vögeln können diese oft komplexen Zugmuster durchführen. An den alljährlich stattfindenden Zugvogelbeobachtungstagen Anfangs Oktober, bietet sich die Gelegenheit, diesem Phänomen Vogelzug beizuwohnen und viele spannende Details dazu zu erfahren. Gleichzeitig werden die vorbeiziehenden Vögel gezählt und die Gesamtzahl sowie die häufigsten Arten bestimmt. In der Schweiz wird der Euro Birdwatch vom SVS/BirdLife Schweiz organisiert. An über 60 Ständen, von lokalen Sektionen, konnte das einzigartige Naturspektakel Vogelzug, beobachtet werden. Zum 21.Mal bot auch der Natur- und Vogelschutzverein Wasen auf der Hinterarnialp einen Informations- und Beobachtungsstand an.
Buchfink, Rauchschwalbe und Erlenzeisig
Bei recht kühlen Temperaturen am Samstagmorgen, konnten viele Zugvögel beobachtet werden. Buchfinke in kleineren Schwärmen flogen etwas unterhalb der auf 1222 Meter über Meer gelegenen Hinterarnialp durch, um dem starken Gegenwind in der Höhe auszuweichen. Der typische Buchfinkenflugruf, dieser Kurzstreckenzieher welcher im Mittelmeerraum überwintert, war am Wochenende, auf dem Hinterarni, wie auch schweizweit, am meisten zu hören. Dieses Jahr auf dem Hinterarni wiedermal zahlreich zu sehen waren Rauchschwalben. Unsere Rauchschwalben sind schon vor einiger Zeit abgeflogen. Die gesichteten Rauchschwalben zogen von nördlichen Ländern herkommend über die Schweiz. An beiden Tagen wurden über 600 Stück gezählt. Als Überraschung – und als aussergewöhnlich anzusehen, war die Häufigkeit des Erlenzeisigs. Am Beobachtungsstand wurde er als zweitmeiste Vogelart gesichtet und schweizweit als dritthäufigste Vogelart gezählt. Vermutlich wählte dieser Zugvogel in diesem Jahr einen etwas anderen Weg, flog tiefer und trat so in der ganzen Schweiz ungewöhnlich zahlreich in Erscheinung. Für viele Kurzstreckenzieher, wie beispielsweise der Star, wäre jetzt die ideale Zugzeit. Da sie bei uns aber immer noch genügend Nahrung finden, in Form von Beeren, sind sie weiterhin da. Später fliegen sie dann bis in den Mittelmeerraum in ihre Winterquartiere. Langstreckenzieher, wie die Mauer- und Alpensegler, machten sich schon vor einiger Zeit auf den Weg, um rechtzeitig bis is weiter entfernte Afrika zu gelangen. Trotzdem wurde am Samstagnachmittag plötzlich doch noch ein einzelner Alpensegler gesichtet, der über das Hinterarni flog. Für grosse Aufregung bei den anwesenden Biologen, Ornithologen und Vogelkennern, sorgte das Auftauchen eines Steinadlers, der in der Höhe seine Kreise zog, ehe er südwärts weiterflog. Im Eiltempo flogen fünf Hohltauben in geringer Höhe vorbei. Grosse Taubenschwärme oder auch Kormorane wurden an diesem Wochenende keine gesichtet. Dafür waren in den warmen Sonnenstrahlen Greifvögel wie Mäusebussarde, Sperber, Habicht und Turmfalke zu sehen. Zum Abschluss an diesem ersten Birdwatch Tag, liess sich noch ein Nachtzieher, eine Singdrossel, auf einer Fichtenspitze nieder und konnte so über längere Zeit von zahlreichen Besuchern durchs Fernrohr beobachtet werden. Einige Vogelarten wie Drossel oder Rotkehlchen sind Nachtzieher, das heisst, sie fliegen auch in der Nacht, sofern das Wetter gut ist. Auf den gegenüberliegenden Hängen traten noch einige Gämsen aus dem Wald hervor, um zu fressen, ehe die Dunkelheit hereinbrach.
Bird Watch 2015 Hiterarni. Fotos Barbara Pfister
Tanz auf Holzschnitzeln
In der Arni-Scheune hatte der NV Wasen eine Ausstellung zum Thema «Die häufigsten Vögel in unserem Siedlungsraum», aufgebaut. Zwischen Sträuchern – wie Pfaffenhütchen, Schwarzdorn, Vogelbeere, Wacholder und Heckenrose – waren Vogelpräparate von Blau- und Kohlmeise, Hausrotschwanz, Distelfink, Türkentaube, Star, Buch- und Grünfink, Mehl- und Rauchschwalbe, Mauer- und Alpensegler, Amsel und Haussperling zu sehen, wie auch ihre Nisthilfen, oder Nester. Zum Tanz auf dem mit Holzschnitzeln belegten Stallboden und in der, mit viel Aufwand zurechtgemachten Arni-Scheune, spielte das Schwyzerörgeliduo Röthlisberger auf – und liess den ersten Tag gemütlich ausklingen.
Perfekter Sonntag
In der Nacht zum Sonntag hatte es geregnet und das liess die Verantwortlichen hoffen, am Sonntag guten Vogelzug zu sehen. Bis sich aber die Nebelschwaden lichteten wurde es fast Mittag. Doch dann stellte sich eine fantastische Fernsicht ein - hin bis in den Schwarzwald und zu den Berner Alpen. Eher schwach war dann aber doch der Vogelzug. Dafür waren noch nie so viele Fernrohre am Beobachtungsstand aufgestellt worden wie dieses Jahr. Viele Vogelbeobachter, auch von anderen Sektionen, brachten ihre Fernrohre gleich selber mit. An beiden Beobachtungstagen wurden auf dem Hinterarni, total 2835 Zugvögel, von 46 Arten gezählt. Ebenfalls zahlreich flog der Admiral Schmetterling vorbei. Der zur Familie der Wanderfalter gehörende Edelfalter fliegt im April in die Schweiz ein um neuen Generationen das Leben zu schenken, welche dann im Herbst auch wieder südwärts ziehen. Bei schönem Sonntagnachmittagswetter konnte die Festwirtschaft des NV Wasen kurzerhand von der Scheune ins Freie verlegt werden, wo auch das zum Zugvogeltag gehörende «Zwirbele» durchgeführt wurde. Das Trio Schwalbengruss unterhielt die anwesenden Gäste mit volkstümlichen Klängen; damit war die Chilbistimmung perfekt. Zirka 350 Birdwatch-Besucherinnen und -besucher erhielten an diesem Wochenende auf dem Hinterarni Einblick in die Welt der Zugvögel und deren Faszination.