Den Schwalben Nistplätze anbieten – sogar in Hauenstein
10. Februar 2014 Bericht im Unter-Emmentaler. Von Liselotte Jost-Zürcher
Abende lang wurde im Werkraum des Oberstufen-Schulhauses Wasen gepflastert, geschliffen, geklebt, gesägt und gemalt. Mitglieder des örtlichen Natur- und Vogelschutzvereins haben in diesem Winter wiederum mehrere hundert Schwalbennester gebaut. Sie werden diese in den nächsten Wochen in der Gemeinde Sumiswald montieren. 40 davon gingen sogar in die raue Gegend des Hauensteins.
«Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in der Gemeinde Sumiswald 1000 neue Schwalbennester anzubringen», sagt der Präsident des Natur- und Vogelschutzvereins Wasen, Martin Leuenberger, beim Besuch des «Unter-Emmentaler». Nicht alle in diesem Winter; aber mehrere Hundert, weitere im nächsten und übernächsten Winter. «Wir nehmen die Anfragen der Interessierten, welche einen Standort zur Verfügung stellen möchten, entgegen. Der Reihe nach berücksichtigen wir sie. Für alle wird es bis zum Frühjahr nicht reichen, aber wir werden auch im nächsten Winter Nester produzieren.»
Intakte Landschaft
Denn früh schon kommen die ersten Schwalben, nehmen ihren gewohnten Nistplatz in Beschlag oder suchen sich in der nächsten Umgebung einen neuen. Es wird für sie jedoch immer schwieriger, geeignetes Material für den Nestbau und ihre Nahrung zu finden. Schweizweit sinken die Zahlen der brütenden Mehl- und Rauchschwalben jährlich markant. Nicht so in Wasen: «Wir konnten die Zahlen in den letzten 20 Jahren eher noch steigern», so Martin Leuenberger. Einerseits weil hier die Landschaft noch intakt sei; das sei für die Vogelvielfalt lebenswichtig. Anderseits, weil die Mitglieder des NV Wasen seit über zwei Jahrzehnten in tausenden von freiwilligen Einsätzen und mit viel Herzblut die Vogelwelt in der Region zu erhalten und zu vermehren versuchen. Mit grossem Erfolg: Segler haben in den umliegenden Dörfern eine Bleibe gefunden, vermehren sich kontinuierlich. Auch Schnäpper, selten gewordene Greifvögel, Meisen und zahlreiche andere Vogelarten werden wieder häufiger beobachtet.
Kein «gewöhnlicher» Verein
Der NV sei kein gewöhnlicher Verein, beschreibt Martin Leuenberger. Man habe keine regelmässigen Anlässe, sei nicht zu «Probebesuchen» verpflichtet. «Die Mitglieder kommen dann, wenn es ihnen möglich ist, und helfen dort, wo sie Freude und Geschick haben.» Immer wieder stossen neue, willige Natur- und Vogelliebhaber dazu. So tauchten auch in diesem Winter neue Gesichter im Werkraum auf. Werner Röthlisberger etwa mit seiner zwölfjährigen Tochter Annemarie. Er wollte ursprünglich mithelfen, die Zugvogeltage auf dem Hinterarni zu erhalten. Dabei stiess er automatisch auf den NV. Nun legt er selber Hand beim Nesterbau an, und mit ihm eine seiner fünf Töchter: «D’Annemarie gchennt scho viu Vögu», freut er sich. Nicole Kormann war vor wenigen Jahren auf Reisen in Malaysia, freute sich dort an den bunten Vögeln. «Das hat mir die Augen geöffnet», sagt sie gegenüber dem «UE». Sie beobachtete zu Hause vermehrt und mit viel Interesse die Vogelwelt, wollte mehr darüber wissen und auch etwas für deren Erhalt tun. Auch Hans Dürig war bereits mehrere Abende im Werkraum; er «schnuppere» noch im Verein, meint er. Früher habe er zuweilen Nistkästen angebracht. Vor rund zehn Jahren sei er in die Region Sumiswald gezogen. Nun habe er Lust, das alte Hobby neu aufzunehmen. Paul Steiner gehört seit Jahren zum Verein, lässt die Arbeit im Werkraum auch während dem Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» nicht ruhen. «Man muss den Schwalben helfen, ihnen dort Nester zur Verfügung stellen, wo sie auch Nahrung finden.» Apropos Nahrung: Eine Schwalbenbrut benötigt in einer Saison rund 150 000 oder 1,5 Kilogramm Insekten. Im Nesterbau liegt viel Erfindergeist der Vereinsmitglieder. So werden heute für die Mehlschwalben sowohl einzelne Nester als auch Batterien zu drei, vier oder sechs Nestern hergestellt, welche sich in Form von «Schublädli» leicht montieren und später auch reinigen lassen. Der Verein stellt die Nester den Bewohnern der Gemeinde Sumiswald gratis zur Verfügung. «Allerdings ist das Material teuer; wir sind deshalb stets auf Spendengelder angewiesen», so Martin Leuenberger. Noch eine Gratis-Fuhre hat das Dorf verlassen, in Richtung Solothurner Jura: Durch das Aktiv-Mitglied Erika Röthlisberger, welche vor einigen Jahren nach Hauenstein gezogen ist, erfuhr der NV Wasen vom Unglück der Familie Paul und Käthi Strub. Im August 2013 brannte deren abgelegenes Bauernhaus in der Region Hauenstein bis auf die Grundmauern nieder. Die Familie besass nur gerade noch, was sie auf der Haut trug. Paul und Käthi Strub sind rückblickend dankbar, dass kein Leben zu schaden kam; weder von Mensch noch von Tier. Die Ziegen befanden sich auf der Weide, die meisten der Rinder ebenfalls, und die einzige Kuh konnte mit Kalb gerettet werden. Auch die Hunde waren - im Freien.
Hilfe von nah und fern
«Die Hilfe von nah und fern war unbeschreiblich. Wir leben hier abseits, nehmen kaum in Vereinen teil. Dennoch hat man uns unermüdlich von allen Seiten her geholfen, hat uns Möbel und Utensilien gebracht», erzählen die Strubs. Im Dorf im Pfarrhaus fanden sie eine Bleibe, am Unglücksort wurden Container hingestellt, wo heute das Familienleben tagsüber stattfindet. Paul und Käthi Strub haben längst zu einem neuen Alltag gefunden, kümmern sich um Tiere, Land und um die florierende Vermarktung ihrer speziellen Produkte. Daneben beansprucht sie der Wiederaufbau des Bauernhauses, der sich nicht gerade einfach gestaltet: Zu den landschaftlichen und landwirtschaftlichen Aspekte kommen weitere: Das 47 Hektaren grosse Heimet liegt auf Armeegebiet, grosse Teile der Alpen in einer Schiesszone. Umso mehr berührt, dass das Ehepaar Strub auch an die Schwalben denkt, an welchen es über Jahre hinweg viel Freude hatte. Durch Erika Röthlisberger kam der Kontakt zum NV Wasen zustande. Gemeinsam wurde entschieden, in den provisorischen Ställen 40 Nester anzubringen. «Die Schwalben werden das Gebiet absuchen, wenn sie zurückkehren. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass sie die Nester finden und auch belegen werden», weiss Martin Leuenberger. Symbolisch überreichte eine Delegation des Natur- und Vogelschutzvereins die ersten Nester. Weitere werden folgen. Es ist vorgesehen, dass eine Schulklasse diese an geeigneten Stellen in Strubs Provisorien montiert. Für Paul und Käthi Strub ist klar, dass dereinst auch in den neuen Liegenschaften wieder Schwalben beherbergt werden sollen. Wann und wie das der Fall sein wird, wissen sie heute allerdings noch nicht. Mit einem herrlichen Imbiss und einer süssen Nachspeise – selbstverständlich alles aus Eigenproduktion – wurde die Wasener Delegation nach der Übergabe der Nester in der gemütlichen Küche des Containers verwöhnt.