Hilfe für bedrohte Mehlschwalben
27. Juni 2013 Bericht in der Wochen-Zeitung. Bericht von Bruno Zürcher
Hilfe für bedrohte Mehlschwalben
Schweizweit ist die Zahl der Mehlschwalben stark rückläufig. In Wasen ist der Bestand stabil – dank eifriger Helfer.
Unermüdlich fliegen Schwalben aus, suchen Insekten und kehren mit der Beute heim. Vor dem Stall der Familie Schmid wimmelt es von Schwalben. Im Tenn haben rund 20 Rauchschwalbenpaare ihre Nester bezogen. In den Stunden vor dem Mittag, wenn sich die sattgefressenen Kühe niedergelegt haben, dominieren die rund 20 Gramm leichten Vögel auch akustisch das Geschehen im Stall auf dem Hof Ober Steg oberhalb von Sumiswald. «Um vier Junge vom Schlüpfen bis zum Flüggewerden genügend füttern zu können, müssen die Schwalben zirka 200’000 Insekten fangen», weiss Martin Leuenberger, Präsident des Natur- und Vogelschutzvereins Wasen.
Mehlschwalben nisten an Fassaden
Während die Rauchschwalben, welche hier regelmässig anzutreffen sind, bereits ihre Jungen füttern, sind die Mehlschwalben noch nicht soweit. Das Brutgeschäft hat sich wegen des verregneten und kühlen Frühlings um Wochen verzögert. Die Mehlschwalbe ist die etwas kleinere der beiden bekannten Schwalbenarten. Sie zeichnet sich aus, durch ihre blau schimmernden Federn auf dem Kopf – im Unterschied zur roten Kehle und dem gegabelten Schwanz mit den langen Spiessen der Rauchschwalbe. Die Mehlschwalbe pflegt nicht innerhalb von Gebäuden zu nisten. «Und sie geht auch nicht in Gebäuden auf die Jagd», fügt Leuenberger an, «deshalb hat es die Mehlschwalbe sehr schwer, bei schlechtem Wetter genügend Insekten zu finden, während die Rauchschwalbe im Stall nach Insekten jagt – sehr zur Freude des Bauern.»
Am Wagenschopf der Familie Schmid hat der Natur- und Vogelschutzverein Wasen vor wenigen Jahren einige Nisthilfen angebracht. Diese haben sich bei den gefiederten Gesellen herumgezwitschert. Erst zögerlich umkreisen die eleganten Flieger die Nester, ehe sie landen und den Kopf in eine der Behausungen stecken. «Die haben sicher Freude an diesem Haus», meint Paul Steiner der gemeinsam mit Urs Schüpbach im Gebiet Schonegg–Lüderen die Nisthilfen des Natur- und Vogelschutzvereins Wasen betreut. Jedes zweite Jahr führt der Verein zudem eine breit angelegte Brutkontrolle durch. Die rund 30 Aktivmitglieder des Vereins kontrollieren, wie viele Paare in den Nisthilfen Junge aufziehen. Bei den Rauch- wie bei den Mehlschwalben zeigen die Zahlen der vergangenen 20 Jahre stabile Werte. 120 Mehlschwalbenpaare hausten alleine letzten Sommer in der vom Verein gebauten und montierten Nestern. Schweizweit sank der Bestand der kleinen Schwalben in den letzten Jahren regelrecht zusammen. «In diesem Jahr werden wir wegen des nassen Frühlings sicher auch weniger Mehlschwalben haben», sagt Martin Leuenberger. Er habe bereits Nester mit verlassenen Eiern angetroffen.
Guter Lebensraum dank Bauernhöfen
Dass die Mehlschwalbe, welche neu auf der «roten Liste» als potenziell gefährdete Art figuriert, im Gebiet Wasen noch regelmässig vorkommt, ist sicher dem Engagement des Vereins wie auch «der hier noch recht intakten Landschaft mit vielen Bauernbetrieben zu verdanken», sagt Martin Leuenberger. Rund um die Bauernhäuser finden die eleganten Flieger meist genügend Nahrung. Beim Hof Ober Steg beispielsweise schwirren die Vögel immer wieder über den Misthaufen, weil sich dort besonders viele Insekten aufhalten. Auch finden die Vögel dank Hecken, ökologisch vielseitigen Wiesen und Waldrändern sowie Hochstammobstgärten relativ viel Nahrung – auch bei kühlerem Wetter. «Dass die Landschaft hier nicht so ausgeräumt ist wie im Mittelland, ist sicher ein grosser Vorteil für die Mehlschwalbe», meint Martin Leuenberger.
Paul Steiner und Urs Schüpbach haben festgestellt, dass in neuen Überbauungen fast keine Mehlschwalbennester zu finden sind. «Die Fassaden sind viel zu glatt – im Gegensatz zu einer meist rohen Holzverschalung an einem landwirtschaftlichen Gebäude.» Auch würden viele Hausbesitzer die Nester mutwillig zerstören, weil die Schwalben, sobald die Jungen geschlüpft sind, für kleine Misthaufen sorgen. «Die Schwalben sind auch immer mehr auf künstliche Nester angewiesen», ergänzt Martin Leuenberger, «dies, weil sie an immer weniger Orten das geeignete Baumaterial finden, da immer mehr Plätze und Wege asphaltiert sind.»
Verein baut selber Nisthilfen
Seit einigen Jahren baut der Natur- und Vogelschutzverein Wasen selber Nisthilfen. «Wir haben lange getüftelt, bis wir ein wirklich gutes und langlebiges Nest hatten», erinnert sich Leuenberger. Das aktuelle Modell kann im Winter wie eine Schublade herausgezogen, geöffnet und geputzt werden. 200 Stück hat der Verein auf diese Brutsaison hin hergestellt, welche längst alle aufgehängt wurden. Im Gebiet Wasen und Umgebung gibt der Verein die Nisthilfen gratis ab, Auswärtige können welche kaufen.
Auch für weitere Vogelarten erstellt und unterhält der Verein Nisthilfen. Eine Erfolgsgeschichte stellen sicher die Mauer- und Alpensegler dar, welche wieder vermehrt hier brüten. Die Liste der geförderten Arten reicht noch weiter: Wasseramsel, Turmfalke oder auch bekannte Arten wie die Kohlmeise oder der Trauerschnäpper.
Die Mehlschwalben leben während fünf, sechs Monaten hier. «Wir können nur hier etwas für sie tun, indem wir den Lebensraum möglichst optimal gestalten», sagt Martin Leuenberger, «und uns an den schönen Schwalben erfreuen.»