2. Juli 2016 Bericht Seite 5 im Unter-Emmentaler. Von Liselotte Jost-Zürcher
Vögel können denken – und Menschen können sie (manchmal) erziehen
«Sich achten, was die Vögel tun und ihnen helfen, wo es nötig ist» – das ist die Devise des Vogelbeobachters und –kenners Fred Winkler aus Weinstegen. Seit Jahren entwickelt und baut er Nisthilfen für Schwalben, Mauersegler und andere Vogelarten. Aber eigentlich sei es allen aufmerksamen Beobachtern möglich, die Brutvögel in der Region zu fördern, stellt er fest.
Als im Februar eine Frau aus Hasle bei Burgdorf beim Natur- und Vogelschutzverein Wasen anrief und mitteilte, im Dach oberhalb ihrer Terrasse wolle eine Wasseramsel nisten, da wusste Fred Winkler: «Das war sehr aussergewöhnlich, wäre bestimmt nicht gut gekommen.» Und vor allem, das war ein Notfall, man konnte nicht zuwarten. Wasseramseln brüten gegen Ende des Winters und ausschliesslich an Bachufern und unter Brücken. Wenn sie brüten wollen, suchen sie aufgeregt nach einer Nistmöglichkeit; sie wollen nicht warten. Er fuhr los, betrachtete das Ganze und entdeckte in gut 30 Meter Entfernung des Hauses eine Brücke. Am selben Abend noch baute er zuhause einen Nistkasten und montierte diesen am nächsten Morgen unter der Brücke. Beim Hin- und Herfliegen über den Bach entdeckte die Wasseramsel den Kasten. Fred Winklers Plan ging auf; der Vogel baute ein wunderbares Nest im dafür vorgesehenen Kasten und vergass das Hausdach, welches ihrer Art so gar nicht entsprochen hätte.
Erstes «Eck-Nest» im Einsatz
Dieser Erfolg anfangs des Jahres sollte nicht Fred Winklers einziger bleiben. In einem Stall in Ursenbach wurde im Frühjahr unter anderem auch durch seine Firma umgebaut. Bei Baubeginn entdeckte er just an jenem Morgen und in jenem Stallteil das Nest einer Rauchschwalbe. Sie hatte bereits fünf Eier gelegt. «Das geit doch nid...», entfuhr es ihm. Im Winter hatte er seine ersten «EckRauchschwalbennester» entwickelt. Er holte ein solches, montierte es rund zehn Meter weiter weg im andern Stallteil und zügelte vorsichtig die Eier. Eins zerbrach. Rund ein Monat später aber guckten vier gesunde junge Rauchschwalben über den Rand seines ersten «Eck-Nestes» und kehren bis heute immer wieder zum Nest zurück, um dort zu übernachten. «Ein Wunder, dass die Altvögel das kapiert und am neuen Ort weitergebrütet haben», freut er sich. Aber mit diesen beiden Erfolgen nicht genug: Vor wenigen Wochen wurde er nach Kleindietwil zu Gygax Fahrzeugbau gerufen. Dort hatten Monteure eines Morgens einen LKW- Unterbau, der längere Zeit draussen stand, in die Werkstätte gebracht um daran zu arbeiten.
Rücksichtsvolle Monteure
Am Nachmittag hörten sie etwas zwitschern – und fanden im Chassis versteckt ein Nest mit noch nicht flüggen Bachstelzen. Auf Anraten von Fred Winkler wurde der LKW wieder in genau dieselbe Stellung auf dem Platz an der Bahnböschung gebracht und eine Nacht lang stehen gelassen. Die Altvögel begannen wieder zu füttern. In der Zwischenzeit montierte Fred Winkler in der Nähe einen Brutkasten. Am nächsten Morgen zügelte er vorsichtig das Nest mit den Nestlingen in den Kasten. Die Monteure fuhren den LKW weg, und wo vorher der Standort des Nestes war, stellte Winkler zwei Paletten hin. Prompt landete die Bachstelze dort und trippelte aufgeregt herum. Sie hörte die Jungen rufen. Plötzlich flog sie zu Boden, näherte sich dem Container mit dem Kasten, blickte sich immer wieder misstrauisch um. Schliesslich flog sie auf das Dach des Nistkastens und schwang sich dann elegant zu ihrer Brut hinein. Inzwischen sind die jungen Bachstelzen ausgeflogen. «Das sind so tolle Erlebnisse», strahlt Fred Winkler im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler». Dennoch wisse er, dass er überall nur habe helfen können, weil er Kenntnis von der Not der Vögel gehabt habe. «Es lohnt sich, wenn Menschen die Vögel beobachten und melden, wenn Bruten in Gefahr sind. Das Fazit ist zudem: Auch Vögel können denken, und sie lassen sich mit etwas List sogar ein bisschen erziehen...».